Drei Tage habe ich geweint – Um Nägel-Lackieren und Haare-Flechten, um Barbie-Spielen, Barbie-Filme und Elsa-Marathons, um Glitzer, Ballett, Shoppingtouren, Über-Jungs-Gespräche und Brautkleid-Aussuchen.

Ja, ich gebe es zu: Als ich erfahren habe, dass ich auch beim dritten Mal einen Jungen raus drücken muss, habe ich geweint. Und glaubt mir, dafür musste ich mir sehr viele böse Kommentare und Vorwürfe anhören. Dabei ist das Quatsch. Denn von der Nachricht über einen gesunden Jungen war ich hellauf begeistert. Aber um das Mädchen, das schon so viele Jahre in meinem Kopf gelebt hat und das nun definitiv nicht mehr zu uns kommen wird, habe ich geweint. Und das finde ich durchaus legitim. Aber all die negativen Gefühle sind tabu. Zum Glück habe ich diese nicht meinem Kind gegenüber. Andere Frauen haben das, aber trauen sich auch darüber nicht zu sprechen. Wie beispielsweise Christine in ihrem Beitrag Was tun, wenn ich mich für meine negativen Gefühle schäme? Obwohl es bei mir nicht ganz so schlimm war, habe ich damals aus diesem Artikel sehr viel für mich mitgenommen.
Die negativen Gefühle – die habe ich auf meinem Mann abgeladen. Schließlich sitzt ja auf den Spermien das Erbmaterial, das entscheidet, ob Männlein oder Weiblein. Da schauen wir „Supernatural“ und ich sage aus heiterem Himmel mit strengem Blick „Der Jared Padalecki hat zwei Jungs und die bekommen jetzt ein Mädchen.“ Da laufen wir durch die Stadt und ich sage „Guck mal, sogar der Heini da vorne kann Mädchen.“ Da höre ich Musik und sage „Vielleicht kann Tim Bendzko ja Mädchen, Matthias Schweighöfer kann es.“ (Vielleicht hat Fritz das gehört, denn die Ähnlichkeit ist verblüffend. Aber das ist ein anderes Thema.) Immer wieder habe ich ihm vorgeworfen, dass er mir nicht meine langersehnte Tänzerin schenkt. Was soll ich sagen: Er hat es mit Fassung er- und getragen. Er wusste, was mir ein Mädchen bedeutet hätte und hat vieles mit Humor genommen. „Zum Glück“, war sein Kommentar. „Dann muss das sich wenigstens nicht in Rhythmischer Sportgymnastik von dir drillen lassen.“
Alles Humbug mit dem Planen
Angefangen hat alles mit der Entscheidung, dass wir noch ein drittes Kind bekommen möchten. Da scheinen wir kompatibel zu sein, denn einen Monat später war das schon unterwegs. Und wir waren uns ganz sicher: Diesmal wird es ein Mädchen. Ihr kennt ja sicherlich diese tollen Theorien, nach denen man das Geschlecht des Kindes beeinflussen kann. Auf zahlreichen Websites und Blogs habe ich mich herumgetrieben, um alle möglichen Weisheiten über die Kunst des richtigen Zeitpunkts der Befruchtung, der richtigen Stellung, der richtigen Ernährung oder sonst irgendeinen Humbugs zu lesen. Nicht nur bei Elternforen wie Co-Eltern.de oder netmoms.de, sondern sogar bei der der Welt oder der Süddeutschen Zeitung kann man wilde Theorien checken. Ganz ehrlich. Einiges erscheint total logisch. Da heißt es „Frauen, die sich zum Zeitpunkt der Empfängnis sehr energie- und zuckerreich ernährten, bekamen überdurchschnittlich häufig Jungen.“* Hahaha, logisch! Jetzt weiß ich, warum ich nur Jungs habe!
Es muss doch trotzdem Spaß machen 😉
Aber mal ganz ehrlich. Irgendwann ist das Ganze doch echt zu viel. Ja, ok. Der Zeitpunkt ist noch egal. Beim Mann gibt es sowieso kein „Ich möchte grade nicht“ und eine Frau, die Schwanger werden will, hat doch auch immer Bock, oder etwa nicht!? Alles andere ist aber doch wirklich müßig und anstrengend. „Sorry Schatz, dreh dich mal bitte einen Zentimeter nach links, dann hebe dein rechtes Bein ein klein wenig an. Nein, nicht zu viel, sonst wird’s nachher doch noch ein Junge.“ Also bitte … da geht nun wirklich der Spaß verloren.
Und ich kann euch aus eigener Erfahrung sagen: Alles Blödsinn! Klar … man hört von der Freundin, bei der dieses geklappt hat, von der Nachbarin, bei der jenes funktioniert hat. Aber ich schätze, da verhält es sich wie bei der Homöopathie. Die, bei denen es nicht klappt, sagen halt einfach nichts. Da bin ich auf einen sehr schönen Artikel von Bernd Kramer bei der taz gestoßen: „Das weiße Nichts“. Aber dies nur am Rande.
Was ich sagen möchte ist: Es ist Quatsch. Und wisst ihr was? Es ist gut so. Es ist gut, dass man sich sein Kind nicht zusammenstellen kann. „Ich hätte gerne ein Mädchen mit blonden Locken und blauen Augen, das gerne tanzt und gut in Mathe is. Es soll sich für Medizin interessieren und bitte erst mit 18 für Jungs, und sein zweiter Zeh soll bitte nicht länger als der große sein.“ Wie schrecklich wäre das denn bitte!?
Aus Heidi wird Fritz, sonst ändert sich nix
Nun gut. Es hat also mit dem Planen des Mädchens wieder nicht geklappt. Das wusste ich schon vor meinem Besuch bei der Frauenärztin. Wir hatten zig Mädchennamen. Heidi war einer der Favoriten. So sollte schon Henri und später dann Mati heißen. Ich saß also bei meinem Papa und er hat mir ein ganz altes Stammbuch gegeben, in dem ich mir Namen anschauen sollte. Und bitte doch auch mal Jungennamen. Oh Mann … darauf hatte ich so gar keine Lust. Meinem Papa zuliebe habe ich lustlos drin rumgeblättert und da ist mir der Name ins Auge gesprungen. Ich wusste es sofort und habe gesagt: „Heidi ist Fritz. Ich bekomme einen Jungen. Fritz – das ist mein Baby.“ Das wurde mir dann von meiner Ärztin am selben Tag bestätigt. Was soll ich sagen? Ich war glücklich und traurig zugleich. Glücklich darüber, einen gesunden Jungen zu bekommen. Glücklich darüber, eine Drei-Jungs-Mama zu werden. Und traurig, dass Heidi nie zu uns kommen wird. In der Zeit habe ich viel gelesen und habe in dem ein oder anderen Beitrag etwas Trost gefunden. Drei Tage habe ich um sie geweint – Um Nägel-Lackieren und Haare-Flechten, um Barbie-Spielen, Barbie-Filme und Elsa-Marathons, um Glitzer, Ballett, Shoppingtouren, Über-Jungs-Gespräche und Brautkleid-Aussuchen. Um all das, was ich mit den drei Jungs nie erleben werde. Es war eine lange Liste an Dingen, von denen ich mich verabschiedet habe. Alles immer mit der Dankbarkeit für meinen Bub im Hinterkopf. Und dann war ich bereit meinen Jungen als das anzunehmen, was er war und ist: perfekt.
Dann war da nur noch
die Freude.
Vorwürfe sind unnötig und bekloppt
Sehr viele können das nicht verstehen und werfen einem vor, dass andere keine oder kranke Kinder bekommen. Ja: Ich möchte auch kein krankes Kind. Und dennoch würde ich es lieben. Meiner Meinung nach hat das damit überhaupt nichts zu tun. Man kann es nicht vergleichen. Wir Deutschen beschweren uns über alles mögliche, während in anderen Ländern Krieg und Hungersnot herrscht. Also bitte! Die Gefühle sind da, ob ihr sie aussprecht oder nicht und sie sind nicht schlimm. Es sagt nichts über eure Qualität als Mama aus. Ihr dürft ruhig traurig sein. Denn das bedeutet nicht, dass ihr traurig seid über das, was ihr bekommt oder habt, sondern lediglich über das, was ihr eben nicht haben könnt. Und nach der Trauerphase habt ihr den Rest des Lebens Zeit, euch an eurem Jungen zu erfreuen. Die meisten Vorwürfe kommen übrigens von denjenigen, die beides haben oder eben das, was sie sich gewünscht haben.

Ab heute gibt’s Mädchenkram zu Hause
Als aus Heidi Fritz wurde, habe ich auch realisiert, dass da nie eine Prinzessin sein wird. Also habe ich beschlossen, die Prinzessin im Haus zu werden. Wobei mein Mann dann ziemlich richtig feststellte, ich sei wohl eher die Königin. Schließlich trage ich das Zepter. Da hat er natürlich recht. Aber von dem Tag an, habe ich nicht mehr über die Farbe einer Pfanne, der Thermoskanne, von Bechern oder Seifenspendern nachgedacht. Alles, was ich neu gekauft habe, war rosa. Auch heute noch entscheide ich mich für die Mädchenfarbe, wenn es denn zur Diskussion steht. Ich schaue Mädchenfilme, wenn mir danach ist. Einfach so. Gehe mal mit Freundinnen aus und rede nur über tolle Typen in Filmen oder Serien. Gehe auf Konzerte, weil der Sänger hübsch ist. Lackiere viel öfter meine Nägel und liege stundenlang in der Badewanne, wenn alle Jungs schlafen.
Und wisst ihr was? Meine Männer ziehen mit. Entgegen meiner Erwartungen, ist es voll okay, dass ich Mädchen-Kram mache. Mädchenfarben sind natürlich immer noch „igitt“. Meine Bettwäsche is rosa, die Seite meines Mannes braun. Sonst kommt keiner mehr kuscheln. Ab und an müssen die Jungs durch, denn die Klebepistole glitzert nun mal und das Toilettenpapier hat rosa Blumen. Aber ansonsten gehören all die rosa, lila, pinken, glitzernden Sachen halt Mama. Ab und an erbarmt sich Henri sogar, mit mir „Mädchensachen“ zu gucken und gibt sich die größte Mühe, nicht „eklig“ zu sagen, wenn sich jemand küsst. Er denkt an mich beim Einkaufen und zeigt mir Rosé Sekt, den ich mir doch kaufen könnte, und Mati kämmt manchmal meine Haare. Das reicht doch wirklich vollkommen aus 🙂
Und ab und an hätte ich gerne all die Vorzüge, ohne Regieren zu müssen. Ab und an entledige ich mich meiner Pflichten und werde tatsächlich verwöhnt. Am Wochenende darf ich Ausschlafen. Da bringen meine Jungs mir Kaffee ans Bett und mein Mann kocht. Nicht immer, aber ganz oft, da werde ich am Wochenende zur Prinzessin. Zur Prinzessin mit drei gesunden Söhnen. Glücklicher könnte ich nicht sein ❤
*Quelle: Süddeutsche Zeitung online, dapd/db: „Ob Mädchen oder Junge lässt sich doch beeinflussen“, unter: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/maedchen-oder-junge-kann-man-das-geschlecht-des-kindes-beeinflussen-1.1310115 (zuletzt abgerufen am 15.05.2019).
Toll beschrieben und ich musste wirklich schmunzeln beim Lesen. Deine Jungs sind ja wirklich niedlich und das dein Mann das Ganze so mit Humor genommen hat, ist toll.
Mir ging es anfangs ähnlich. Ich wollte unbedingt einen Jungen, ein Mädchen kam nicht in Frage. Vielleicht, weil unser erstes (Sternen)kind ein Junge war. Aber dann wusste ich auf einmal es wird ein Mädchen und war total zufrieden damit. Und jetzt liege ich hier, mit unserer Tochter auf dem Bauch und kann mir nichts besseres vorstellen. 🙂
Liebe Grüße
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Vielen Dank für deine lieben Worte. Und für deine Ehrlichkeit. Ich bin immer wieder dankbar für meine drei Jungs. Ich freue mich für dich, dass es dir mit deiner Tochter gut geht. Ja, man liebt alle Kinder einfach sofort. Zum Glück ist das als Mama so ❤️ Ich wünsche euch nur das Beste,
Vreni
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Liebe Verena,
Ich kann voll und ganz nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast, denn diesen Kampf der Gefühle hatte ich bei meinem ersten Kind auch. Bevor ich zum ersten Mal schwanger wurde, bekamen schon viele Freundinnen vor mir ihr erstes Kind – alles Mädchen. Und als ich dann selbst schwanger wurde, freuten sich alle sehr, denn jeder wollte mir Klamotten und Babyausstattung weitergeben, natürlich alles in Rosa und Glitzer. Dann der Schock. Meine Frauenärztin teilte mir mit, dass wir einen Jungen bekommen. Auf der einen Seite war ich überglücklich, dass alles in Ordnung ist, auf der anderen Seite total traurig, dass mein Junge wohl keine Spielkameraden bekommen würde, wenn mich meine Freundinnen mit ihren Mädels besuchten und die rosa Sachen konnte ich nun auch nicht gebrauchen. Ich fühlte mich schlecht wenn ich mal äußerte, ich hätte mir lieber ein Mädchen gewünscht. Und mich konnte keiner verstehen. Im Gegenteil, viele meinten „ist doch egal, Hauptsache gesund.“ Ist es eben nicht, wie du schon geschrieben hast, es sind zwei verschiedene Dinge. Aber wenn man sich drauf einlässt, ist es irgendwann egal. Natürlich wollte Emilio keine Mädelsklamotten anziehen, aber mit den Mädels meiner Freundinnen hat er sich von Anfang an sehr gut verstanden. Und so lernte ich von ihm in den letzten Jahren, wie man Dinosaurier an den Knochen bestimmt, wie man Salzkrebse züchtet, ich kenne alle Namen der Transformers, stehe am Wochenende auf dem Fußballplatz und ja – unser beider Lieblingsfilm ist – – – – – Die Eiskönigin ☺️
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