Oh mein Gott! Bei einem Konzert kommt wirklich die schlimmste Seite von mir zum Vorschein. Das kann ich euch sagen…

„Paddy, ich will ein Kind von dir“… Nein! Zu den Mädels, die ein Schild mit entsprechendem Schriftzug hochgehalten haben, habe ich nie gehört. Auch einen BH habe ich niemals auf die Bühne geworfen. Zumindest ein bisschen Würde hatte ich auch als Teenie schon in mir. Für alles andere war ich mir allerdings nicht zu schade. Zwei Nächte bei Minusgraden vor der Saarland Halle? Kein Problem! Inmitten wahnsinnig gewordener Teenies – und durchaus auch erwachsener Frauen – einen Tag lang zusammengepfercht zwischen irgendwelchen Absperrungen warten? Immer doch! Bei jedem kleinsten Geräusch los rennen ohne Rücksicht auf Verluste, um die Chance auf die erste Reihe nicht aufzugeben? Klar doch!
All diese Erinnerungen kommen hoch, als ich mit meinem Mann den Vorplatz der Congresshalle betrete, um zum zweiten Mal Michael Patrick Kelly solo und live zu erleben. Denn als wir am Eingang vorbeikommen, liegen dort Becher, Decken, Flaschen und Überreste von allem, was man eben so braucht, um den ganzen Tag auf den Einlass zu warten. Okay… Vielleicht in etwas (viel) kleinerer Ausführung als 1995, aber dennoch scheint es so manch einen Kelly-Fan zu geben, der genauso irre ist wie damals. Neidisch sehe ich mich um. Denn wisst ihr… Die einzige Bedingung meines Mannes mitzukommen war, dass wir nicht zwischen den paar Bekloppten schon vier Stunden vor Einlass warten. Waaas, nur vier Stunden? Waren meine bestürzten Gedanken. Ich dachte eher so an Picknick zum Frühstück? Jetzt aber steht da eine riesige Schlange, bevor wir überhaupt reinkönnen. Nie zuvor war ich erst ZUM Einlass bei einem Konzert.
Mein Mann – nicht so der Mann aus der ersten Reihe
Als wir dann endlich reinkommen, will ich direkt nach vorne stürmen. Gewohnheit. Mein Mann aber will noch was essen und was trinken. Waaas? Vollkommen unruhig stopfe ich mir also auch noch irgendwas rein und husch dann schnell nach vorne. Hektisch blicke ich mich um, von wo aus ich noch möglichst weit nach vorne kommen kann. „Also wenn du jetzt so anfängst, dann geh ich wieder.“ Oh Mann. Ich werde immer nervöser, während mein Mann in aller Seelenruhe was isst und trinkt und rumschlendert. Rumschlendert. Auf einem Konzert! Wäre es nicht so heiß, so würde mir dennoch der Schweiß ausbrechen bei dem Anblick wie sich die Reihen immer mehr füllen. Ohne mich!
Irgendwann finden wir endlich ein Plätzchen. Und gar nicht so ein schlechtes. Jetzt muss ich nur noch meine ganzen alten Tricks auspacken. So machen, als ob es mich nicht interessiert und bei jeder kleinen Bewegung einen kleinen Schritt nach vorne. Merkt keiner 😉 Außer mein Mann! „Kannst du dich nicht mal locker machen und das Konzert entspannt genießen?“ Nein. Das kann ich definitiv nicht. Konnte ich noch nie. Egal zu wem ich gehe, ich muss ganz nach vorne. Ich habe ein Buch von Jana Crämer gelesen. Das Mädchen aus der ersten Reihe. Natürlich geht es da um viel mehr als das. Aber so ungefähr fühl ich mich. Doch hier, da ist meine Konzertfreundin nicht dabei. Sondern mein Mann. Der, der das Konzert entspannt genießen will. Nun gut.
Keine lästige Vorband
Das Konzert verzögert sich wegen technischer Schwierigkeiten. Zum Glück werden wir von einer Vorband verschont. Da steh ich nicht so drauf. Ich finde die Chance ja toll für diese Gruppen. Aber wenn man so lange gewartet hat (wir ja nun diesmal nicht) und einem die Beine schon wehtun, dann möchte man einfach die sehen, für die man bezahlt hat. Sorry! Dann noch ne halbe Stunde irgendjemandem zuhören, aus Höflichkeit applaudieren und dann die Warterei wegen des Umbaus. Schrecklich! Einmal war ich bei Tim Bendzko (natürlich nicht nur einmal) und die Vorgruppe war Chima. Bisher der einzige Sänger, von dem ich danach dann wirklich mal ein Album gekauft und gehört habe. Alle anderen musste ich halt ertragen. Man wird ja quasi gezwungen.
Die gehässige Vreni
Immer weiter rücken wir langsam nach vorne. Mal ein Stolpern, mal ein Schubser. Vermeintlich unabsichtlich kommen wir dann doch bis hinter die alten Dämchen, die schon so lange da stehen. Oh Himmel… Haben wirklich die alten Waschweiber da schon den ganzen Tag vor dem Eingang gegammelt? Diese Gedanken tue ich dann auch kund. Was soll ich sagen? Mein Mann hätte sich sparen können,mich darauf aufmerksam zu machen. Denn im selben Moment stelle ich geschockt fest, dass die gar nicht älter als ich sind. Zum Glück sehe ich noch nicht so alt aus, denke ich dann. Oh mein Gott! Bei einem Konzert kommt wirklich die schlimmste Seite von mir zum Vorschein. Das kann ich euch sagen… Ich nehme mir also vor, solche Gedanken zu ignorieren und die Musik zu genießen. Wenn sie denn dann mal losgehen würde. Während des Konzerts bin ich dann ziemlich weit vorne angekommen. Dritte Reihe oder so. Das muss genügen. Mit den Hardcore-Groupies will ich mich nun nicht wirklich anlegen. Vor allem der böse Blick meines Mannes hält mich davon ab.

Schönes Mitbringsel vom Konzert: Loop Schal in meiner Lieblingsfarbe 🙂
Paddy oder lieber Michael Patrick?
Als Paddy dann endlich auf die Bühne kommt, kommen dann wieder all die alten Gefühle hoch. Das ist einfach so unglaublich. Mit ihm verbinde ich meine Jugend, meine Teenie-Träume, meine ersten Konzerte. Meine erste große Liebe. Ich gebe zu: Diese war etwas einseitig 😉 Hätte er nur jedem der Mädels, die dachten, sie würden ihn mal heiraten, einen Kuss auf die Wange gegeben – ich denke, er wäre heute noch nicht fertig damit. So ist das, wenn man in einer Großfamilie der Hübsche ist. Ja… an all das muss ich denken und all das genieße ich. Dabei ist Michael Patrick Kelly schon lange mehr als nur Paddy Kelly. Mehr als die Erinnerung an eine wunderbare Zeit. Für ihn war die wahrscheinlich eh nicht so wundervoll. Für mich aber schon. Daher komme ich nicht umher, etwas enttäuscht zu sein, dass er kein einziges altes Lied spielt.
Kein Blabla, sondern ehrliche Lieder
Dafür natürlich genug seiner aktuellen Lieder. Lieder, die allesamt eine Aussage haben. Kein Dahergesinge über irgendein sinnfreies, oberflächliches Blabla. Nein. Allein bei „ID“ beispielsweise zeigt er uns, dass wir uns in keine Schublade pressen lassen sollen. Dass wir einzigartig sind. Oder bei „Requiem“ erinnert er uns daran, wie kurz das Leben sein kann und gedenkt verstorbener, großartiger Musiker. Seine eigenen, starken Hits sind eine gesunde Mischung aus rockigen Vollgasnummern und ruhigen Balladen.
Ja, da steht er endlich und singt. Der erwachsen gewordene Michael Patrick Kelly mit seinem erwachsen gewordenen Publikum. Wobei ich sagen muss, dass die Leute tatsächlich vollkommen durchmischt sind. Familien, Pärchen, Damen und Herren jeden Alters – alles querbeet mit dabei. Ja, da steht er nun und verzaubert uns wie eh und je. Der, der sich nicht scheut, seine Emotionen zu zeigen. Auf der Bühne zu leben. Ob er nun als 15 Jähriger mit seinem Papa an der Hand auf die Bühne kommt, oder eben mit 40 bei Sing my Song. Und zu jeder Zeit nehme ich es ihm ab. Ich muss zugeben, seine Witzchen sind an der ein oder anderen Stelle eher so semi-gut. Und sein Versuch, uns zu erzählen, er würde im Saarland ein kleines bisschen Heimat finden, war auch etwas naja… unehrlich. Aber diese gewisse Unsicherheit nach so langer Zeit, all das, macht ihn nur noch sympathischer. Es geht ihm – wie immer schon – nicht um die Show, sondern nur um die Musik. Und die war und ist klasse!
Kontakt zum Publikum und #PeaceBell– unbezahlbar
Besonders schön ist, wie er immer wieder den Kontakt zu seinem Publikum sucht. Ich denke, das braucht er nicht unbedingt. Das macht er für uns und das ist auch irgendwie toll. Stagediving – „aber bitte nicht an de Po fassen!“ „Mist.“ – bei „Shake away“ im Publikum singen und fleißig Hände schütteln, auf den Rängen Umarmungen verteilen. Besonders süß auch, wie er sich bei den Zuschauern bedankt, dass sie ihr Geld für seine Konzertkarten ausgegeben haben statt für irgendein anderes Zeug. Immer wieder erkundigt er sich beim Publikum, ob wegen der Hitze alles okay sei, verteilt mal eine Wasserflasche und kümmert sich um die Versorgung der ersten, engen Reihen durch die Ordner. Zwischendurch lässt er eine Friedensglocke auf die Bühne schieben, die er aus Waffen hat schmieden lassen. #PeaceBell heißt das Friedensprojekt*, das er ins Leben gerufen hat. Mit ihrem Klang ruft Paddy zu einer Schweigeminute für den Frieden auf. Und all das ist weder kitschig noch falsch. Es ist mitreißend und so ehrlich, dass man ihn einfach lieben muss. Zu jeder Zeit nimmt man Paddy Kelly ab, was er da macht. Das kann man lange nicht von jedem Künstler behaupten. Einfach toll!
Ähnliches schreibt auch Moni Münch über Michael Patrick Kelly, obwohl sie nie ein Kelly-Fan war und den Hype nie verstehen konnte. Sie wurde 2016 in Aschaffenburg in seinen Bann gezogen. Ein wirklich sehr schöner Bericht nicht nur über das Konzert 🙂
Manchmal wäre ich gern wieder 13
Klar würde ich mal gerne ein Konzert ganz entspannt erleben. Aber ich denke, es gibt die und die Konzertbesuchertypen 😉 Und ich gehöre eben zu denjenigen, die nicht einfach da rumstehen, was trinken und der Musik lauschen können. Es geht nicht. Von daher war das Michael Patrick Kelly Konzert in Saarbrücken ein fast perfekter Abend für mich würde ich sagen: mit einer Mischung aus all seinen wahnsinnig tiefsinnigen, eigenen, starken Songs und seinem so ehrlichen, sympathischen Wesen. Aber nur fast 😉 Denn natürlich ist die Musik, die er heute macht, perfekt so wie sie ist. Sie passt zu ihm und ich liebe sie. Aber die Frau, in der ab und an noch die 13-Jährige Vreni aufblitzt, die hätte sich für ein perfektes Konzert wenigstens ein kleines Medley der alten Lieder gewünscht.
*Sina hat die Enthüllung der Friedensglocke in Mainz im November des vergangenen Jahres begleitet und berichtet auf ihrem Blog darüber. Sehr interessant!
2 Kommentare zu „Michael Patrick Kelly in Saarbrücken – Eher ein Erfahrungsbericht als eine Konzertkritik :)“