Seine Eingewöhnung lief super. Meine Abgewöhnung schrecklich.

Wenn ihr um halb neun zufällig an der Ampel steht und neben euch in einem schwarzen Peugeot eine blonde Frau heulen seht, dann bin das möglicherweise ich. Ich, nachdem sie grade ihr kleines Baby in der Krippe abgegeben hat. Okay das Baby ist 16 Monate alt, aber irgendwie doch noch viel zu klein, um so lange nicht bei mir zu sein. Oder bin ich vielleicht einfach noch nicht so weit, es aus der Hand zu geben? Oder beides? Ich habe auf jeden Fall kein gutes Gefühl dabei. Jeden Tag seit der Eingewöhnung weine ich. Warum also tue ich es doch?
Neuer Job
Ich fange vorne an … Ganz aus dem Nichts habe ich ein Stellenangebot bekommen. Es ging ganz fix. Meine Schwester hat mich vorgeschlagen, zwei Tage später war ich beim Probearbeiten und was soll ich sagen? Es hat mega viel Saß gemacht. Aber dann stand sie an: die Entscheidung. Denn ich habe immer gesagt, dass ich keines meiner Kinder vor ihrem zweiten Geburtstag in die Krippe gebe. Aber was tun, wenn die Möglichkeit wirklich gut ist, man sich dann vielleicht einen schönen Urlaub leisten könnte, es sogar Spaß macht und man sich fragt, ob sich so was in einem Dreivierteljahr vielleicht nicht einfach so ergibt? Und seien wir ehrlich: Zumindest ich würde das gleiche Theater abziehen wie jetzt. Ob Fritz ein, zwei oder drei Jahre alt ist macht da keinen Unterschied. Ja… So ist das mit dem Loslassen eben. Die Kinder können es oft besser als die Eltern. Zumindest bei mir ist das so.
Was für das Arbeiten spricht
„Wieso bist du müde?“ „Du arbeitest doch nichts“. „Du bist doch den ganzen Tag zu Hause“. Ja! Und soll ich euch was sagen? Ich bin total gerne zu Hause. Und das wäre ich auf der einen Seite auch gerne für immer. Denn ich liebe es, aus unserem Haus ein Zuhause zu machen. Und ich genieße es, Dinge in Ruhe erledigen zu können und da zu sein, wenn die Schule anruft, weil eines meiner Kinder Bauchweh hat. Dann kann ich einfach los und es abholen. Da sein. Einfach so. Schön, oder? Es erfüllt mich irgendwie. Wenn da solche Sätze nicht wären, die man natürlich auch selbst in seinem Kopf hat. Denn auf der anderen Seite möchte man für das, was man tut auch zumindest ein wenig geschätzt werden. Die harte Arbeit als Mutter von drei Kindern wird nämlich alles, aber nicht hoch geschätzt – und bezahlt schon gar nicht. Nina Straßner ist Juristin und schreibt wunderbar ehrlich und ernüchternd darüber, was eine Mama verdienen müsste .* Wobei das irgendwie falsch ist. Denn verdienen tun wir wahnsinnig viel. Aber bekommen tun wir nix! Dabei sieht die Sache laut der Juramama so aus:
„Selbst wenn wir nur den geltenden Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde, ohne Feiertags-, Wochenend- und Nachtzulagen ansetzen und von einem 14-stündigen Arbeitstag einer die Kinder und den Haushalt betreuenden Person, kommen wir auf ein Jahresgehalt von 47.647 Euro brutto“.**
** Nina Straßner, „Mütter sind unbezahlbar“, veröffentlicht in „Für Kinderbetreuung und Hausarbeit So hoch müsste das Jahresgehalt einer Mutter sein“, Kölner Stadt-Anzeiger, (abgerufen am 23.08.20119)
Und das ist „nur“ der finanzielle Aspekt. Ich möchte gar nicht von Achtung und Anerkennung sprechen. Die bekommt man nämlich auch sehr oft, wenn man arbeiten geht. Anerkennung, aber auch Gesellschaft im weitesten Sinne.
Einsam trotz Baby?
Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir das nämlich auch manchmal. Es ist wunderschön mit Fritz zu Hause. Er ist vollkommen entspannt und als er zum ersten Mal für zwei Stunden in der Krippe war, bin vollkommen planlos durch’s Haus gelaufen wie Falschgeld. Dabei hätte ich so vieles erledigen können. Mal den Schrank entrümpeln, im Keller aufräumen, Kisten ausmisten … Dinge, die man eben nie macht, weil man keine Zeit dafür hat. Aber nix da … ich hab‘ mich einfach nur einsam gefühlt. Aber auch mit Baby fühlt man sich manchmal allein zu Hause. Als Mama ist man so isoliert, da kommt ab und an auch das Gefühl auf, vollkommen verlassen zu sein. Viola hat dazu einen schönen Beitrag geschrieben.
Natürlich kommen auch solche Aspekte hinzu wie: ich zahle in meine Rentenkasse, wenn mal der Trockner kaputt geht, ist das kein Weltuntergang, nicht jeden Cent zweimal umdrehen müssen … Ich werde dort nicht in meinem ursprünglichen Beruf arbeiten, aber ich bekomme Geld. Und sowohl die Arbeitszeiten als auch der Spaß sprechen hier eindeutig ebenso für eine Zusage.
Krippe als Chance?
Denn als ich am Probetag arbeiten war hat es genau das getan, Spaß gemacht. Das ist mehr als manch anderer bei der Arbeit erlebt. Später am Tag aber wurde ich dann von mehreren Angstattacken gepackt. Mein erster Gedanke war, dass es nicht das Richtige ist. Mit ein bisschen Achtsamkeit habe ich aber genau hingeschaut und gemerkt: Das ist es nicht. Nein, ich möchte wieder arbeiten, aber ich möchte Fritz nicht abgeben. Ich will mein Baby nicht in die Krippe bringen. Ich muss doch schon die Großen in die Schule lassen 😉 Selbst da habe ich morgens Abschiedsschmerz. Ihr seht schon … das Problem liegt bei mir.
Denn so eine Krippe bringt natürlich auch viele positive Aspekte mit sich, die ich Fritz zu Hause gar nicht bieten kann. Nach der ersten Eingewöhnungswoche konnte er aus dem Becher trinken, was er trotz großer Brüder bisher tatsächlich nicht geschafft hat. Die Kinder können so viel voneinander lernen durch zuschauen, abschauen, nachahmen, ausprobieren … Auch die sozialen Kompetenzen kann ich ihm nicht so einfach vermitteln. Schließlich geben seine großen Brüder ihm alles, was er möchte. Hauptsache, der Kleine schreit nicht. Da darf sogar mal eine Pokémon-Karte dran glauben, um beim alt bekannten Thema zu bleiben 😉 Außerdem wird er einen ordentlichen Tagesrhythmus bekommen. Denn ich habe wirklich mein Bestes dafür gegeben, aber wenn der eine Bruder Fußball spielt, der andere schwimmt, der eine Besuch hat, der andere eingeladen ist usw. … da muss man als Dritter eben mit. Auch die vielen Spielmöglichkeiten, die Ausflüge, ja die Abwechslung allgemein kann sich nur positiv auf ein Kind auswirken, würde ich sagen.

Die Entscheidung
Also wägt man für und wider ab. Immer wieder. Und immer wieder kommen Zweifel. Ich denke, es gibt sehr vieles, was dafür und was dagegen spricht. Und die Entscheidung kann ja jede Familie nur für sich selbst treffen. Wir haben uns nun für das „Dafür“ entschieden. Sowohl aus der Sicht der Arbeit als auch aus der Sicht, was Fritz daraus mitnehmen wird. Dennoch fließen immer noch die Tränchen, wenn er morgens zur Krippe tapst. Nein, falsch. Nicht, wenn er rein-, sondern wenn ich raustapse. Und zwar bei mir. Ich kann so schwer loslassen und es tut mir so weh. Genau deshalb war es mir für unsere Entscheidung so wichtig, WO er hingeht. Denn Krippe ist nicht gleich Krippe und Erzieherin ist nicht gleich Erzieherin.
Lasst euch dabei nicht beirren. Egal was andere sagen oder tun. Wenn ihr in eine Einrichtung kommt und spürt weder Herzlichkeit noch irgendetwas Liebevolles, dann geht einfach rückwärts wieder raus. Als Eltern kann man sich auf sein Gefühl verlassen. Und wenn das sagt, dass man sein Kind in gute Hände gibt, erst dann hat man das Richtige gefunden.
Die Eingewöhnung
Wir hatten das Glück, dass wir genau wussten, was wir wollten. Und als Fritz dann noch einen Platz nicht nur in der entsprechenden Einrichtung, sondern auch in der Wunschgruppe bekommen hat, musste es doch Schicksal sein, oder?
Seine Eingewöhnung lief super. Meine Abgewöhnung schrecklich. In der ersten Woche habe ich ihn begleitet. Für eine halbe bis ganze Stunde saß ich mit im Zimmer, während er mit seiner Bezugserzieherin gespielt hat. Oft waren nur sehr wenige Kinder im Raum, so dass er sehr viel Ruhe hatte, sich an die Situation zu gewöhnen. In der zweiten Woche hat er schon mit gefrühstückt und ich konnte auch mal für eine Stunde raus. Und habe geweint. In der dritten war er quasi schon eingewöhnt, weil er sich nach oder vor dem Mittagessen selbst dort zum Schlafen auf den Boden gelegt hat. Und ich habe geweint. Natürlich geht das nicht immer so leicht (oder schwer für die Mama). Die Mädels in der Einrichtung richten sich da ganz nach dem Rhythmus des Kindes – so wie es sein soll. Und ich kann nur sagen: vor allem wegen der Herzlichkeit und Fürsorge dort, konnte ich mich etwas abgewöhnen. Denn auch auf meine Sorgen und meinen Abschiedsschmerz sind die Erzieherinnen eingegangen – mit Verständnis und ein bisschen Humor 🙂 Ich sage es noch mal: Das Gefühl muss stimmen!
Eingewöhnungen habe ich ja schon zwei hinter mir. Dennoch habe ich zum Thema an sich noch viel gelesen. Wer also dazu Tipps haben möchte oder Genaueres lesen will, kann das zum Beispiel bei Viola , Moni oder Nathalie.
Der neue Alltag
Ja, ich gebe es zu … ich bin beim dritten Kind noch gluckiger geworden als ich es eh schon war. Aber jetzt ist es so weit: Fritz ist eingewöhnt, ich noch nicht ganz abgewöhnt und ab 2. September heißt es „Tschüss Elternzeit“ und „Hallo Teilzeit“. Da ich von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr arbeiten werde, muss mein Mann morgens ab 7 Uhr die zwei Streithähne und den kleinen Terrorzwerg alleine „abfertigen“. Wir sind gespannt, etwas aufgeregt, aber wir freuen uns auch darauf. Ich werde berichten …
Wie ist das bei euch? Habt ihr euch für eine Betreuung unter drei Jahren entschieden? Und ist es euch auch so schwer wie mir gefallen? Hat vielleicht jemand auch schon eine Entscheidung bereut? Ich freue mich auf eure Kommentare!
* Nina Straßner ist Autorin des Blogs Juramama und schreibt in einem Gastbeitrag für das gerade erschienene „Wow Mom“ (von Lisa Harmann und Katharina Nachtsheim, Autorinnen des Blogs Stadt Land Mama) darüber, was Mütter eigentlich verdienen müssten.
Oh Vreni, ich verstehe dich total und du hast deine Gedanken wunderbar formuliert. Bestimmt ist es für euch beide eine gute Entscheidung- aber einfach natürlich trotzdem nicht. Alles Gute und dir einen guten Start in den Job!
Liebe Grüße
Viola
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Vielen lieben Dank 💕 Ich hoffe, dass es das Richtige ist und werde berichten 😊 Ich wünsche dir ein schönes Wochenende 🌞
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